Politik ist/schafft eine spezifische Existenzweise, ein „Wir“. Auch hier eine Krümmung, ein Kreis. Kein Aussen. „Ohne den Kreis gäbe es überhaupt keinen Zusammenschluss, keine Gruppe, keine Möglichkeit, ‚wir‘ zu sagen, ganz einfach keine Sammlung und daher auch kein Kollektiv“ (Ex 479). Dabei geht es weniger um die Gruppe als solches, sondern immer um Kreise, die Dinge/Sachfragen, konkrete Konflikte und Lokalitäten betreffen. Deshalb ist jeder Kreis, jedes Wir provisorisch, „Mit-sein“ (Nancy) mit Anderen und den Dingen/Welt, „ent-werkt“ (Nancy). Es gibt keine Substanz, eher eine „Subsistenz des Politischen“ (Ex 468). Der Kreis muss ständig neu gezogen bzw. wieder aufgenommen werden, er hinterlässt „so wenig eine dauerhafte Spur, als hätte man ihn in den Sand oder auf Wasser gemalt, man muss wieder neu anfangen; wenn man anhält, verschwindet er.“ (Ex 468).Das Kreisen umfasst/realisiert Einschlüsse, aber auch Ausschlüsse/Gegnerschaften. Alle Repräsentationen/Entscheidungen (d.h. auch: Ausschlüsse bestimmter Positionen) werden durch neue Versammlungen kritisierbar: da niemals alle (menschliche und nichtmenschliche) Forderungen artikuliert und repräsentiert werden können, muss der Kreislauf der Politik immer wieder neu initiiert werden. Dabei sind zeitliche Befristungen (oder Moratorien) und räumliche Begrenzungen (Modellversuche/ “Reservate“) notwendig und hilfreich. Zwischen einem Ideal reiner Repräsentation und einem Zurückweisen der Repräsentation geht es um die Kunst, NaturKultur immer wieder in konkreten Zeit- und Raumabschnitten (Terretorien) „issue-orientiert“ zu „komponieren“. Dabei wird Politik kleinteiliger, empirischer, räumlicher (-> terrestrisch). Kreise schliessen immer Konkretes ein, ein Stück Erde, Dinge, Menschen, Lebewesen. Sie betreffen/schaffen -> „kritische Zonen“. Dies fordert die Beteiligung möglichst aller: „you have to turn in circles around matters of concern. You cannot have matters of concern and not turn around them, just be sitting there, fascinated“ (Latour 2016f, 356). Es geht um Partizipation; weil aber die Angelegenheiten der Kollektive nie die gleichen sind, ist auch die Form (und auch der Grad) der Partizipation nie gleich. Je nach Schwere („matter“) und Textur der jeweiligen Angelegenheiten („concern“) werden andere Versammlungen nötig/möglich mit je anderen Geometrien und Verfahrensweisen (Ex 462). Durch die Begrenzung von Partizipation durch konkrete Kreisbildungen und Issue-Orientierungen wird auch eine sowohl praktisch als auch moralisch überfordernde „Allpolitisierung“ vermieden.
Politik als Kreis
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