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diffraktion

Diffraktion ist ein Konzept, das v.a. von den amerikanischen Theoretikerinnen Donna Haraway und Karen Barad entwickelt worden ist. Sie stellen es dem gängigen Begriff von Denken und Wissenschaft entgegen, die vorrangig an den Prinzipien von Reflexion und -> Repräsentation orientiert seien (vgl. -> agentielle vs. cartesianische Schnitte). Ausgehend von der Elementarphysik Heisenbergs und Bohrs betonen sie die Beobachterabhängigkeit aller Prozesse, und zwar auf ganz materieller Ebene: durch Beobachtung/Experiment/Theorie sind/werden (alle) Teilchen anders. Entitäten wie Dinge oder Subjekte werden als sich gegenseitig hervorbringende, intra-agierende Phänomene verstanden. Sie existieren auch nicht vorgängig und treten dann in Interaktion. Sie sind vielmehr immer schon im Werden begriffen:  „The neologism ‚intra-action‘ signifies the mutual constitution of entangled agencies“. Um diese verschränkten Handlungsströme intra-agierender Phänomene ohne stabile Grenzen fassen zu können, greift Barad das physikalische Phänomen der Diffraktion auf.

Dieses zeigt sich im Verhalten von Wellen, die auf ein Hindernis treffen – beispielsweise wenn Steine ins Wasser fallen, wodurch an der Wasseroberfläche sich überlappende Muster von Licht und Dunkel entstehen. In diesem optischen oder ähnlichen diffraktiven Phänomenen, welche keine  eindeutigen Grenzziehungen ermöglichen, manifestiert sich nach Barad „the extraordinary liveliness of the world“ (ebd., 91), was nicht zuletzt auch über das menschliche Denken in dichotomen Anordnungen und binären Kategorien hinausreiche. Der Begriff D. verweist auch auf einen verkörperten/gebrochenen Gestus des In-der-Welt-Seins, von Denken, Handeln und Kritik. Denn anders als bei einer reflexiven Praktik, mit der das Wissenssubjekt die Welt nach wie vor auf Distanz hält, erscheint das Subjekt durch die Diffraktion selbst als intra-agierendes Phänomen, das sich nicht in Distanz, sondern sich vielmehr inmitten materiell-diskursiver Verschränkungen einer posthumanen Welt im Werden befindet: „‘each of us’ is part of the intra-active ongoing articulation of the world in its differential mattering“ (ebd., 381). Aus dieser unauflösbaren Involvierung der eigenen Person in das differentielle Werden der Welt resultiert Verantwortung und zugleich Verantwortungs-fähigkeit/response-ability. Mit Barad wird aber nicht nur dem Menschen, sondern auch der Natur, der Materie und „den Anderen“ Handlungsfähigkeit in der gleichzeitig/ gleichberechtigten Erwirkung intra-aktiver Phänomene zugestanden. Indem ausgehend von der konstitutiven Ambivalenz sich überlappender Diffraktionsmuster – von denen wir selbst immer intra-aktiver Teil sind – der Fokus auf die bewegliche Verschränkung von Materie und Bedeutung, Subjekt und Objekt, Selbst und Anderem gelegt wird, könnte auch der Streit um theoretisch oder praktisch „richtigere“ Perspektiven, Subjekte oder Kategorien überwunden werden. Ähnlich wie bei Latour, Haraway oder Nancy ginge es vielmehr um ein fundamentales Mit und vielfältige Prozesse des Verhandens und -> symbiogenetischen Teilens.


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