Topologischer Raum

Winkel, Proportionen und Abmessungen, d.h. das Euklidische und die Zentralperspektive, sind in der topologischen Strukturbeschreibung weniger bedeutsam. Dort sind Nachbarschaften und relationale Beziehungen, Knoten, Trennungen und Verbindungen im Raum wichtig. Die Venezianer sind für Serres Experten auf dem Gebiet der Topologie, des Trennens und Verbindens, Schließens und Öffnens. Grenzen werden überschritten, während man sie zugleich bewahrt. Der zu durchlaufende Raum hat Sprünge. Für Serres sind deshalb die venezianischen Brücken Operatoren in einem vielschichtigen KulturNatur-Prozess, sie werden Bindeglied, Trennmittel, Marktplatz und zugleich rauschendes Meer.Kurt Lewin entwickelt Topologien als “Felder“, welche durch Gefahrenzonen und Schwellenbereiche gekennzeichnet sind. Er spricht von durch Wege/durch Gänge gekennzeichneten „hodologischen Räumen“. Laut Piaget entwickelt sich die menschliche Wahrnehmung von einem topologischen zu einem euklidischen Raumbegriff hin. Merleau-Ponty kehrt die Sache um: das Perzeptive ist immer gegeben zusammen mit dem Empfinden, dem Phänomenalen, der topologische Raum ist unsere bevorzugte Art zu sein. Der euklidische Raum ist hingegen eher ein Netzwerk von Geraden. Der topologische Raum dagegen ist Milieu, in dem sich Beziehungen von Nachbarschaft, Umhüllungen, Rissen/Trennungen vollziehen. Serres entwickelt in Auseinandersetzung mit Claude Lévy Strauss‘ „wildem Denken“ den Begriff der „wilden Topologie”. Aufgabe der Kultur ist es, Räume zu trennen und neu zu verbinden. Zentral für Serres ist das “Zwischen”: daher Hermes, Parasiten, Engel, Brücken. Nordwest-Passage und Labyrinth. Trennen und Verbinden sind ihr Modus. Gefahr und/oder Glück. Wer mit einem Anderen telefonischen Kontakt aufnimmt oder auch nur an den Entfernten oder die Entfernte denkt, ist zugleich woanders, an einem Ort, wo er oder sie nicht sein kann.