Symmetrische Anthropologie betont die (Handlungs-)Macht der Dinge/Natur. Natur und Kultur/Politik sind voneinander nicht zu trennen. Da es keinen politikfreien Raum gibt, muss der Aushandlungsprozess dessen, was Natur/die Dinge sind, öffentlich gemacht und bewusst gestaltet werden. Die alte Gewaltenteilung zwischen Natur und Gesellschaft, Wissenschaft und Politik, Tatsachen und Werten wird durch eine „neue Gewaltenteilung“ (PARL 127) ersetzt. Dafür entwirft Latour seinem Buch „Parlament der Dinge“ konkrete Verfahrensvorschläge mit provisorischem Charakter – etwa die Unterscheidung zwischen Prozessen/Institutionen einbeziehender und ordnender Gewalt. Erste ist auf das Problem bezogen, wer oder was Teil des betroffenen/zu schaffenden Kollektivs ist (was gehört alles dazu?) und die zweite auf das Problem, wie auf dieser Basis eine gemeinsame Welt geschaffen/komponiert werden soll (Wie soll unsere Welt aussehen? Wie wollen wir leben?). Eine zusätzliche, dritte Gewalt der Verlaufskontrolle realisiert zudem eine permanente “Qualitätskontrolle” des politischen Prozesses. Wissenschaftler, Politiker, Philosophen/Ethiker, Ökonomen und Verfahrenstechniker/Administratoren bringen ihre jeweiligen Kompetenzen in Prozesse gemeinsamer Entscheidungsfindung ein, in “jeweils jede Aufgabe” (vgl. PARL 206ff.). Immer stehen konkrete Streitsachen, „Versammlungen“ im Vordergrund, lokale und globalere Bezüge sind dabei je anders verbunden. Weil räumliche und zeitliche Reichweiten unterschiedlicher Streitsachen („Dinge“) verschieden sind, verlangt der Klimawandel andere Versammlungen als die deutsche Integrationspolitik, der Protest gegen die neue Startbahn eines Flughafens oder die Frage der städtischen Bebauung einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Zugleich zeichnet sich ab, dass die in einem „Parlament der Dinge“ aufgeworfene Frage nach den jeweiligen Qualitäten der Probleme/Streitsachen auch die nach den jeweiligen agentiellen Besonderheiten (Notwendigkeiten, Bedürfnisse u.a.m.) auch der Dinge/der Natur betrifft. Die Vertragsverhältnisse zwischen Mensch und Mensch, müssen durch Vertragsverhältnisse zwischen Mensch und Natur, durch einen -> Naturvertrag (Serres) bzw. durch Naturverträge und durch konkrete Suchen nach dem -> Terrestrischen ergänzt werden. Demokratie bleibt alleroberstes Prinzip: in ihrer repräsentativen Form (Parlament), die zugleich nach Ergänzungen sucht (Bürgerentscheide, Subsidiaritätsprinzip u.a.m.).
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